Erfurt. Edgar Allan Poe starb am 7. Oktober 1849. Zum 175. Todestag wird sein wohl berühmtestes Gedicht „Der Rabe“ („The Raven“) als illustrierte Literatur neu aufgelegt.
Der Faden ist rot, blutrot, der sich über die Seiten zieht, kräuselt, windet, zur Spritze wird, zur Flasche, zum Mann, zur Schrift, zu vielem mehr. Und am Ende zu einer Skulptur, deren Unten und Oben nur vordergründig festgelegt ist. Der Faden illustriert die Handlung, zeigt ihren Fortgang, wirkt wie Rahmen und Grenze zugleich für den schwarzen Hauptdarsteller, der durch seine schiere Größe dominiert – und durch seine Einsilbigkeit. „Nimmermehr – nevermore“: Mehr sagt der Rabe nicht. Er ist Titelheld des Gedichts, das den Schriftsteller Edgar Allan Poe auch als Lyriker bekannt machte. Zum 175. Todestag des amerikanischen Dichters am 7. Oktober 2024 hat das Osnabrücker Künstler-Ehepaar Peter Eickmeyer und Gaby von Borstel „Der Rabe“ in illustrierte Literatur verwandelt.
Farbe bekommt nur der Faden, der Rest ist schwarz-weiß – oder weiß-schwarz. Denn die beiden haben sowohl das Original „The Raven“ als auch eine der deutschen Übersetzungen in diesem grafischen Band vereint, die deutsche Version auf weißem, die englische auf schwarzem Grund, wie ein Negativ. Jede mag für sich selbst entscheiden, wo Kummer und Grauen eindringlicher wirken, denn diese Gefühle beherrschen das Gedicht, dessen 18 Strophen das Künstlerehepaar über die Seiten verstreut hat.
Poes Rabe ist Sinnbild absoluter Verzweiflung
Der Erzähler, das lyrische Ich, weiß nicht, wohin mit seinem Leid. Die Geliebte Lenore ist gestorben, „nimmermehr“ wird er sie wiedersehen, wird sie wiederkehren. Aus seinen dunklen Gedanken reißt ihn ein Klopfen, erst an der Tür, dann am Fenster. Es ist der Rabe, der Einlass begehrt und ihn künftig nicht mehr verlassen wird. Poe klärt nicht auf, ob der Vogel Hirngespinst eines von Alkohol und Drogen benebelten Mannes ist oder Bote aus einer anderen Welt. Sinnbild absoluter Verzweiflung ist er aber zweifelsohne.
Ein Spaziergang im Herbst habe sie dazu inspiriert, „Der Rabe“ zu bebildern, sagten Eickmeyer und von Borstel in einem Zeitungsinterview. Düsterer Nebel, Krähen im Stoppelfeld, eine insgesamt morbide Stimmung habe sie an Poe erinnert, von dessen Werk sie ohnehin fasziniert seien. Dass der Rabe, den sie die Seiten beherrschen lassen, so unheimlich jedoch nicht wirkt, mag damit zu tun haben, dass er ein reales Vorbild hat.
Weltliteratur anders erkunden
Konrad heißt dieser, erzählen sie im Anhang des Buches, er lebe im Heimattierpark Olderdissen in Bielefeld mit dem Weibchen Asra: „Konrad ist ein ‚gewalt‘ger hochbejahrter Rabe‘, stolz und stattlich wie der Rabe bei Poe.“ Mindestens 39 Jahre alt soll er sein, Asra dagegen ist erst vier. Die deutlich zu spürende Sympathie für die Vögel (Fotos von Besuchen im Tierpark sind ebenfalls eingefügt) hat möglicherweise bewirkt, dass ihr fiktiver Rabe mitunter mitfühlend scheint – oder sogar ein Lächeln um seinen Schnabel spielt?
Gaby von Borstel textet, Peter Eickmeyer zeichnet und damit bringen sie Weltliteratur einmal anders nahe. Bekannt geworden sind sie mit der Adaption des Antikriegsromans „Im Westen nichts Neues“ von Erich Maria Remarque sowie einer Graphic Novel über Heinrich Heine.
Sie sind bei Weitem nicht die einzigen, die von Edgar Allan Poe und seinen Werken inspiriert wurden. Wer zu „Der Rabe“ die entsprechende musikalische Untermalung schätzt, denen sei „Tales of Mystery and Imagination“ von The Alan Parsons Project empfohlen. Diese Mischung aus Rock und sinfonischer Musik, versetzt mit Zitaten, ist annähernd so düster wie es die Werke von Edgar Allan Poe sind – „The Raven“ ist natürlich auch dabei.
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